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Wie geht Architektur morgen? Stellungnahme des Dekans zum Thesenpapier des 6. BDA Hochschultags

Wie geht Architektur morgen? Stellungnahme des Dekans zum Thesenpapier des 6. BDA Hochschultags

© Alexandra Sciranková
Laserscan der Cumberlandsche Galerie

Auf dem 6. Hochschultag des Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA im März 2024 wurden 8 Thesen zu den Zukunfsaufgaben der Architektur erarbeitet und im Juli 2024 veröffentlicht: Der BDA das sind rund 5.000 freischaffende Architekt:innen und Stadtplaner:innen, die für Qualität und persönliche Integrität stehen – und dafür in den BDA berufen wurden. Das Thesenpapier postuliert die notwendige Neuausrichtung der Architekturlehre, um den Herausforderungen des Umbaus und der Digitalisierung gerecht zu werden. Der Dekan der Fakultät für Archietktur und Landschaft an der Leibniz Universität Hannover, Prof. Mirco Becker, begrüßt außerordentlich, dass der BDA die Aspekte Umbaupraxis und Digitalisierung als zentrale Zukunftsaufgaben der Architektur identifiziert. Im Folgenden werden die zentralen Thesen dahingehend eingeordnet, inwiefern diese Thesen schon integraler Bestand der Lehr- und Lernkultur in den Studiengängen BSc. Architektur und MSc. Architektur und Städtebau an der Leibniz Universität Hannover sind und wo Potentiale der Verbesserung und Neuausrichtung liegen.

I. Die vermeintliche Leichtigkeit der digitalen Planung

Das Thesenpapier betont, dass digitale Planungsmethoden ein Werkzeug sind, das mit Fachwissen, Kreativität und einem tiefen architektonischen Verständnis angewendet werden muss. Hier stimme ich zu, jedoch möchte ich hervorheben, dass die Integration digitaler Methoden nicht nur als eine technische, sondern auch als eine kulturelle Herausforderung gesehen werden muss. Es erfordert eine Veränderung im Denken und Handeln der Architekt:innen, um das volle Potenzial digitaler Technologien auszuschöpfen.

Wir sind mit mindestens vier Abteilungen - Prof. Becker, Prof. Geyer, Prof. Nolte, Prof. Schling - , die digitale Technologien als integralen Bestandteil ihres Profils verstehen, sehr gut aufgestellt, die aktuellen und kommenden Herausforderungen der Digitalisierung fundiert in die Lehre zu integrieren. In studentischen Arbeiten der letzten Jahre, besonders in MSc. Thesen, zeigt sich die Fähigkeit sowohl Themen der Digitalisierung wie KI im Entwurf fokussiert zu durchdringen aber diese auch in einem größeren Kontext zu behandeln, wie z.B. den kreativen Umgang mit Bestandsbauteildatenbanken.

II. Arbeiten im 1:1-Prozess. Hochschule als Labor

Die Betonung auf das „Machen“ und das Erleben von Material im Maßstab 1:1 ist ein wesentliches Element der architektonischen Ausbildung. Dieser Ansatz fördert das tiefe Verständnis für Materialität und Konstruktion. Sowohl im Bachelor- wie auch im Masterstudium wurde ein Modul Design-Build eingeführt, das regelmäßig für die Realisierung von Installationen, Demonstratoren, und kleinen baulichen Projekten, wie Messeständen genutzt wird. Ergänzend schlage ich vor, dass die Integration von 1:1-Prozessen auch interdisziplinäre Projekte einschließen sollte.

III. Die Kultur des Reparierens und Umbauens theoretisch fundieren

Die Notwendigkeit, eine Kultur des Reparierens und Umbauens im Studium zu verankern, ist klar dargelegt. Das Modul Weiterbauen im 4. Und 5. Semester des Bachelorstudiums, dass sich mit der Analyse und dem baulichen Umgang mit grauem Bestand befasst ist an der Fakultät seit vielen Jahren fest verankert. Welche Dringlichkeit aber auch Potentiale neuer Methoden dieser Bereich bietet, lässt sich besonders an zahlreichen MSc. Thesen der vergangen Semester ablesen, die auf eindrückliche Weise zeigen, dass Impulse für Praxis und Forschung durch forschendes Entwerfen gegeben werden können. Projekte wie die EU geförderte Innovationsallianz Circular Design, Prof. Schröder, verknüpfen Forschungserkenntnisse auf europäischen Ebene in der Lehre.

Unter den im Herbst 2023 von der Fakultät skizzierten Forschungszielen sei hier besonders die Ästhetiken der Transformation erwähnt, mit dem ein theoretisches und methodisch entwerferisches Fundament für die Transformation von Architektur, Stadt und Landschaft untersucht werden soll.

IV. Baukonstruktion als Basis für den Umbau lehren

Die Verknüpfung von Entwurfs- und Konstruktionsprozessen ist unerlässlich für fundierte Umbauprojekte. Vor dem Hintergrund des Umbaus und klimaneutralen Bauens kommt der Baukonstruktion ein gestärktes Innovationspotenzial zu, dass sich in einer engen Verknüpfung von Forschung und Lehre zeigen sollte. Darauf wird besonders bei ausstehenden Berufungen im Bereich der Baukonstruktion geachtet.

V. Einfach umbauen in Zeiten der Technisierung

Der Ansatz, Umbaustrategien mit minimalem Technikeinsatz zu entwickeln, wird zurecht betont. Hier könnte zusätzlich ein Fokus auf Low-Tech-Lösungen und deren Kombination mit traditionellen Baumethoden gelegt werden. Diese Ansätze könnten die Studierenden für nachhaltige und ressourcenschonende Bauweisensensibilisieren, die oft mit geringeren Kosten und höherer Nachhaltigkeit einhergehen. Die Abteilung für Entwerfen und Ressourcen, Prof. Kempe und Prof. Thill, befasst sich mit dieser Thematik. Aber auch der Ansatz von Prof. Geyer durch Einsatz von KI Methoden in der energetischen Planung von Gebäuden die technische Ausstattung zu minimieren, führt zu nachhaltigen Strategien und Lösungen.

VI. Den Bestand digital vermessen

Die Herausforderung der lückenhaften Datenlage im Bestand ist ein Kernproblem im Umbauprozess. Die vorhandene Infrastruktur an den Abteilungen Digitale Methoden in der Architektur und Mediale Architekturdarstellung erlaubt es Studierenden seit über 2 Jahren mit Laserscans von Gebäuden und Bauteilen zu arbeiten. Neben den schon erschlossenen Methoden im Entwurf, wird in den nächsten Semestern die Integration von digitalen Bestandsdaten in Modulen zum Building Information Modelling in den Fokus genommen.

VII. Expertenpool zur Vermittlung digitaler Kenntnisse

Der Vorschlag, einen Pool von Experten zur Vermittlung digitaler Kenntnisse zu etablieren, ist sinnvoll. Dabei sollte die digitale Expertise aber neben den einschlägigen Abteilungen auch dezentral in allen anderen Abteilungen aufgebaut werden. Letztlich wird das kontinulierliche Lernenen im Umgang mit den dynamischen Entwicklungen des Digitalen auch eine individuelle Aufgabe sein und bleiben. KI Assistenten sind da schon heute ein wichtiger Begleiter. Diese fachspezifisch für die Architektur zu entwickeln, ist eine Aufgabe, die am besten in größeren Verbünden geleistet werden kann.

VIII. Projektstudium für interdisziplinäres Zusammenspiel von Umbau und Digitalisierung

Die Förderung eines Projektstudiums, das interdisziplinäre Zusammenarbeit und realitätsnahe Erfahrungen bietet, ist von zentraler Bedeutung. Die lange Tradition des Projekstudiums an der Fakultät kann dahingehen weiter entwickelt werden, dass die Verknüpfung unterschiedlicher Expertise stärker gefördert wird. Interkultureller Austausch sollte ebefall durch die bewusste Intergartion von Austauschstudierenden in Projekte gestärkt werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Thesenpapier eine fundierte und notwendige Diskussion über die Zukunft der Architekturlehre eröffnet. Duch die Strukturen und das Curriculum in den Architekturstudiengängen ist die LUH besonders im Bereich der Digitalisierung sehr gut aufgestellt, schon heute eine Lehre im Sinne der Thesen anbieten zu können. Die weitere Implementierung dieser Konzepte wird entscheidend dazu beitragen, die Architekturausbildung an der LUH auf die aktuellen Herausforderungen und darüber hinnaus zukunftsfähig auszurichten.

Prof. Mirco Becker

Dekan der Fakultät für Architektur und Landschaft

Das vollständige Thesenpapier des BDA wurde am 16.07.2024 veröffentlicht. 

Verfasst von Mirco Becker